hamburg | reiserecht

Rechtsanwalt Michael Habeck


Trotz BGH: Ausgleichsleistungen NICHT stets auf Schadensersatz anzurechnen vom

Der Bundesgerichtshof hat am 06. August 2019 Entscheidungen (Az. X ZR 128/18 und X ZR 165/18) veröffentlicht, wonach Ausgleichszahlungen nach der europäischen Fluggastrechteverordnung auf reise- und beförderungsvertragliche Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht anzurechnen sind.

Wird also zum Beispiel im Rahmen einer Pauschalreise wegen einer Flugverspätung der Urlaubsort nicht rechtzeitig erreicht, so bestehen fluggastrechtliche Ausgleichsansprüche gegenüber der Fluggesellschaft und reiserechtliche Ansprüche gegenüber dem Veranstalter, etwa auf Reisepreisminderung oder immateriellen Schadensersatz wegen erheblicher Beeinträchtigung der Reise.

Leistet nun die Fluggesellschaft eine Ausgleichspauschale (i.d.R. 250, 400 oder 600 Euro p.P.), so kann der zusätzlich reiserechtlich haftende Veranstalter diese Beträge bei seinen Leistungsverpflichtungen anrechnen und seine Zahlung entsprechend kürzen.

Weiter keine Anrechnung bei fehlender Betreuung und Unterstützung!

Es gilt aber zu beachten, dass die Fluggesellschaft neben der Pflicht zur Ausgleichsleistung stets auch gesetzlich zur Betreuung und Unterstützung der Fluggäste verpflichtet ist. So muss u.a. für Mahlzeiten und Getränke während der Wartezeit gesorgt werden, bei Alternativabflug erst am nächtsten Tag auch für ein Hotel samt Transfer. Bei einer Flugannullierung muss zudem für eine Ersatzverbindung zum frühestmöglichen Zeitpunkt gesorgt werden.

Oftmals gelingt es Fluggesellschaften nicht, diesen Verpflichtungen ausreichend nachzukommen. Besorgen sich die Betroffene nach erfolgloser Aufforderung solche Leistungen selbst, entstehen oft ebenso erhebliche Schäden. Für Ersatzflüge oder Hotels fallen schnell mehrere hundert Euro an.

Insoweit muss die Fluggesellschaft auch weiterhin Schadensersatz zahlen und zwar zusätzlich zur pauschalen Ausgleichszahlung. Die Ansprüche wären nämlich auch bei ordnungsgemäßer Erbringung originär nebeneinander zu leisten gewesen.

Anrechnung nur bei weitergehenden Schäden

Die Rechtsprechung des BGH betrifft also nur die Fälle, in denen nicht (nur) ein Schadensersatzanspruch aufgrund der gesetzlichen Mindestregelung der Fluggastrechteverordnung geltend gemacht wird, sondern weitergehende Schäden aus dem Reise- oder Beförderungsvertrag gegenständlich sind, etwa Kosten für ein Taxi, weil nach Ankunftsverspätung kein ÖPNV mehr nutzbar ist, Kosten für einen nun nutzlosen Mietwagen oder für eine nutzlose Hotelnacht am Zielort nach einer Flugannullierung.

In diesem Fällen soll die pauschale Ausgleichsleistung nach Meinung des BGH offenbar die Schadenswiedergutmachung für die Betroffenen vereinfachen, nicht aber einen zusätzlichen immateriellen Anspruch auf Geld verschaffen.

Gerne stehen wir Betroffenen mit Rat und Tat zur Verfügung, wenn es doch noch Fragen gibt oder die Rechtslage im Einzelfall unklar bleibt und wünschen allzeit gute Reise!