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Rechtsanwalt Michael Habeck


Pauschalreise » Reisemängel

1 Rechte

Wann liegt ein Reisemangel vor?

Der Reiseveranstalter haftet gegenüber dem Reisenden für die Mängelfreiheit der Reise. Die Reise darf in ihrem Nutzen also nicht durch qualitative oder quantitative Minderleistung eingeschränkt werden und die Reise muss die zugesicherten Eigenschaften haben. Vom Reisemangel abzugrenzen ist die bloße unwesentliche Beeinträchtigung der Reise in Form einer Unannehmlichkeit, die den Nutzen der Reise nicht einschränkt (z.B. eine zusätzliche Zwischenlandung, leichte Verspätungen, Essen in "Schichten" im Großhotel, Plastikarmband bei All-inclusive-Reise usw.)

Beispiele für Reisemängel: Falsche Hotel- oder Zimmerkategorie, Fehlende oder defekte Hotelausstattung, Änderung von Abflug-/Zielflughafen, erhebliche Flugzeitänderungen, andere Fluggesellschaft als zugesichert, große Verspätung, Gepäckschäden oder -verzögerungen, ausfallende Ausflüge, falsche Lage einer Ferienwohnung, Verschmutzungen, Lärm, kein Meerblick trotz Zusicherung, Verletzung von Informationspflichten usw.

Achtung: Die Haftung des Reiseveranstalters erstreckt sich dabei nicht auf das "allgemeine Lebensrisiko", wie z.B. Krankheit, Thrombose bei langen Flugreisen, Badeunfall ohne Verkehrssicherungspflichtverletzung, die Gefahr des Hoteldiebstahls oder die Gefahr von Belästigungen am Strand. Als Störungen empfundene Umstände, die jedoch dem Umfeld und der Ortsüblichkeit entsprechen, führen ebenso wenig zur Haftung des Reiseveranstalters, so z.B. hoher Geräuschpegel bis Mitternacht im Süden, Algen oder Quallen im Meer, leichter Ungezieferbefall insbesondere in feuchtwarmen Urlaubsgebieten, Straßenlärm beim Stadthotel usw. Der Reiseveranstalter hat jedoch insoweit ggf. vorab zu informieren, z.B. wenn eine Baustelle eingerichtet wird, die zu besonderer Lärmbelästigung führt oder wenn eine außergewöhnlich hohe und die Reisenden beeinträchtigende Algenblüte erwartet wird. Informiert er nicht ausreichend, kann also u.U. doch ein relevanter Reisemangel vorliegen.

Rechte bei Reisemängeln (Anklicken für Details):

  • Abhilfe durch Veranstalter

    Der Reisende kann darauf bestehen, dass der Reiseveranstalter die Reise wie vereinbart erbringt. Er kann damit im Falle eines Reisemangels die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verlangen und kann seinen Anspruch insoweit an die Reiseleitung oder den sonstigen Repräsentant des Reiseveranstalters richten. Der Veranstalter hat sofort und auf seine eigenen Kosten abzuhelfen, auch wenn eine höherpreisige Alternative zur Verfügung gestellt wird, z.B. ein Hotelzimmer höherer Kategorie. Nur bei einem groben Missverhältnisses zwischen Mangel und gefordertem Beseitigungsaufwand kann der Veranstalter die Abhilfe verweigern. Soweit der Mangel fortbesteht, kann der Reisende den Preis mindern, dazu sogleich.

  • Selbstabhilfe

    Nach Mängelanzeige und erfolglosem Ablauf einer gesetzten angemessenen (gleichwohl kurzen) Frist, kann der Reisende dem Mangel selbst abhelfen und Ersatz seiner insoweit entstandenen Kosten verlangen. Eine Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Veranstalter die Abhilfe sofort verweigert oder ausnahmsweise nur die sofortige Abhilfe dem Interesse des Reisenden entspricht, z.B. bei Inanspruchnahme eines Taxidienstes, weil der Transferbus zum Flughafen nicht kommt oder bei völliger Unerreichbarkeit der Reiseleitung usw.

  • Minderung des Reisepreises

    Wird einem Mangel trotz Anzeige nicht abgeholfen und will der Reisende auch nicht zu Selbstabhilfemaßnahmen greifen oder kündigen, sondern am Vertrag festhalten, so hat er Anspruch auf eine Minderung des Reisepreises. Da der Preis meist im Voraus bezahlt wurde handelt es sich dann um einen Erstattungsanspruch. Die Höhe des Minderungsbetrages wird geschätzt und richtet sich nach Art, Dauer und Intensität des Mangels sowie nach dem Grad der Nutzungsbeeinträchtigung der Reise. In der Regel wird der Tagesreisepreis mit der Anzahl der mangelbehafteten Tage und der geschätzten Minderungsquote multipliziert. Unverbindliche Orientierung liefern die sogenannte "Frankfurter Tabelle" oder die "Kemptener Reisemängeltabelle", die per Internetsuche leicht aufzufinden sind und meist auf aktuellem Stand gehalten werden. Wird wegen des Mangels z.B. Urlaubszeit nutzlos aufgewendet, so kann der Reisende zusätzlich Anspruch auf Schadensersatz haben.

  • Kündigung

    Ist ein Reisemangel so schwerwiegend, dass die Reise bei objektiver Würdigung aller Umstände erheblich beeinträchtigt ist, so kann der Reisende nach erfolgloser oder entbehrlicher Bitte um kurzfristige Abhilfe kündigen. Bei der Feststellung der besonderen Erheblichkeit ist der Reisecharakter sowie die Art, Dauer und Intensität des Mangels zu berücksichtigen. Ebenso kann kündigen, für wen das Festhalten an der Reise infolge des Mangels subjektiv unzumutbar ist (z.B. fehlende zugesicherte medizinische Versorgung, trotz Behinderung kein entsprechendes Zimmer usw.). Nach erklärter berechtigter Kündigung hat der Veranstalter den Reisenden unverzüglich an den Ausgangspunkt der Reise zurück zu befördern und ggf. bis dahin ordentlich unterzubringen. Zudem hat er alle Mehrkosten zu tragen und verliert seinen Anspruch auf den Reisepreis. Nur wenn die Reise für den Reisenden überhaupt noch einen Wert hatte, darf der Veranstalter insoweit einen Teil des Reisepreises einbehalten. Wird wegen des Mangels z.B. Urlaubszeit nutzlos aufgewendet, so kann der Reisende zusätzlich Anspruch auf Schadensersatz haben.

  • Schadensersatz wegen des Mangels

    Entsteht dem Reisenden wegen des angezeigten Reisemangels ein Folgeschaden und trifft den Veranstalter oder seine Erfüllungsgehilfen (= die einzelnen Leistungsträger) insoweit ein Verschulden, so hat der Reisende Anspruch auf Schadensersatz - mitunter zusätzlich zu einem der anderen o.g. Ansprüche. Das Verschulden des Veranstalters wird unterstellt, wenn der Reisende den Reisemangel nachgewiesen hat. Der Veranstalter kann dann lediglich zu seiner Entlastung nachweisen, dass er seine Sorgfaltspflichten, die Organisation, Vorbereitung und Durchführung der Reise betreffend, weder fahrlässig noch vorsätzlich verletzt hat. Scheitert er mit diesem Entlastungsbeweis, bleibt es bei seinem (im Zweifel vermuteten) Verschulden. Die Höhe des Schadensersatzes richtet sich nach den konkret gemachten Aufwendungen und den konkret erlittenen Sach- und/oder Körperschäden (z.B. Kosten eines Alternativfluges, Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld, Aufwendungen für Ersatzbeschaffungen bei Gepäckverspätung usw.). Bei Mitverschulden wird der Entschädigungsbetrag entsprechend gekürzt.

  • Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit

    Wird die gesamte Reise vereitelt, z.B. unzulässigerweise abgesagt, oder liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise infolge eines Reisemangels vor und trifft den Veranstalter oder seine Erfüllungsgehilfen (= die einzelnen Leistungsträger) insoweit ein Verschulden, so hat der Reisende Anspruch auf Schadensersatz für seine deshalb nutzlos aufgewendeten Urlaubstage - mitunter zusätzlich zu einem der anderen o.g. Ansprüche. Es gilt nicht unbedingt der starre arbeitsrechtliche Begriff des Urlaubstages, so dass der Anspruch auch Schülern, Studenten oder Hausfrauen zusteht. Es erfolgt auch keine Anrechnung, wenn die verbleibenden Tage einer abgebrochenen Reise zu Hause verbracht werden oder die berufliche Tätigkeit vorzeitig aufgenommen wird. Die Höhe des Schadensersatzes richtet sich nach dem Betrag, um den die Reise auch gemindert werden könnte. Ist ein Tag zu 100 % vertan, so wird entsprechend pro Tag der Tagesreisepreis angesetzt. Beispiel: EUR 200,00 Schadensersatz pro Tag bei einem Gesamtreisepreis von EUR 2.000,00 für eine zehntägige Reise inklusive An- und Abreise (2000 : 10).

Haftungsbeschränkungen

Reisevertragliche Schadensersatzansprüche (außer bei Körperschäden) können in den AGB des Reiseveranstalters auf das Dreifache des Reisepreises beschränkt sein. Zur Wirksamkeit muss diese Regelung jedoch im Rahmen des Vertragsschlusses überhaupt in den Vertrag einbezogen worden sein! Zudem kann sich der Veranstalter auf Haftungsbeschränkungen aus internationalen Abkommen berufen, damit er dem Reisenden nicht mehr Ersatz leisten braucht, als er selbst im Rückgriff vom verantwortlichen Leistungsträger erhält.

Schadensersatz wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht

Unabhängig vom Bestehen eines "klassischen" Reisemangels, haftet der Veranstalter für Verletzungen der Verkehrssicherungspflicht bei Schaffung einer Gefahrenquelle. Zwar obliegt dem jeweiligen Leistungsträger (Fluggesellschaft, Hotel, Ausflugsunternehmen usw.) die Pflicht, seine Anlagen auf Sicherheitsmängel zu kontrollieren, doch ist der Reiseveranstalter wiederum verpflichtet, insoweit die von ihm ausgewählten Leistungsträger zu kontrollieren. Maßstab sind jedoch nur die örtlichen Sicherheitsvorschriften. Entdeckte Sicherheitsmängel sind unverzüglich abzustellen.

Erleidet ein Reisender infolge einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht Körper- und/oder Sachschäden, so haftet der Reiseveranstalter nach Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) für alle Schäden (auch Schmerzensgeld, ggf. Erwerbsnachteile, Beerdigungskosten, Geldrente, Unterhalt usw.). Ein etwaiges Mitverschulden des Reisenden ist dabei zu berücksichtigen, z.B. bei einem leichtsinnigen Sprung aus einem Hotelbalkon in das Hotelschwimmbecken. Auch haftet der Veranstalter nur für offensichtliche Sicherheitsmängel, nicht jedoch für unvorhersehbare Gefahren oder für Schäden, die dem "allgemeinen Lebensrisiko" zuzurechnen sind.

Alte Rechtslage - Änderungen aufgrund der Pauschalreise-Richtlinie werden nach einer Übergangszeit eingepflegt.